Nr. 1: Ungelöste Rätsel der Menschheit 1: Sprachmüll

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

der Journalist schaut genau hin. Eine typische Situation. Überall zu beobachten. Ein junger Mann an der Supermarktkasse. Mit der linken Hand räumt er den Einkauf aufs Band, mit der rechten fingert er nach der Kreditkarte. Zwischen Hals und Schulter hat er sein Handy eingeklemmt und telefoniert. Welcher Gesprächspartner gibt sich mit so wenig Aufmerksamkeit zufrieden? Eine ungelöste Frage der Menschheit. Das ruft nach Ver-dichtung.

 

Dummschwatz

 

Unter uns da leben Wesen,

unerkannt und ohne Namen.

Nichts gibt´s über sie zu lesen,

nichts, von wo sie zu uns kamen.

 

Sie vertreiben uns die Zeit.

Sind geduldig, stets präsent.

Für uns Tag und Nacht bereit.

Gegen Ödnis resistent.

 

Denn auf Straßen und auf Plätzen,

unentwegt von früh bis spät

seh ich Menschen Dummes schwätzen

in ihr drahtloses Gerät.

 

Überdruss plagt jedes Wesen.

Aller Orten Langeweile.           

Statt zu träumen, statt zu lesen

wird geschwafelt ohne Eile:

 

In der Bahn und auf dem Klo,

mitten im Geschlechtsverkehr.

Beim Kinder hüten sowieso.

Der Sprachaustausch läuft nebenher:

 

Wetter scheiße, Stimmung mies.

Chef ist blöd, Gehalt zu klein.

Kinder laut und Gattin fies.

Alles ins Gerät hinein.

 

Wer, das frag ich mich im Stillen,

hört sich diesen Sprachmüll an?

Welcher Mensch mit freiem Willen

dient sich als Papierkorb an?

 

Oder sind es Automaten?

Ohne Sinn, ohne Verstand?

Sind es geistige Kastraten?

Papagei´n aus fernem Land?

 

Ungelöst bleibt diese Frage.

Ich weiß keine Arzenei´n.

Auch wenn ich das hier beklage:

Schön scheint Dummschwatz nur zu Zwei´n.

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