Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kritik, meine Lyrik sei zu negativ, hat mich denn doch nachdenklich gemacht. Ich war der Meinung, dass hinter den von mir aufgespießten Schwachstellen immer die Sehnsucht zur heilen Welt durchschimmert. Das glaube ich auch immer noch, denn nur das Erkennen dessen, was aus dem Lot geraten ist, bietet die Chance zur Verbesserung.
Dieses Erkennen kann schmerzen. Der Satiriker ist einem Arzt vergleichbar. Er stellt die Diagnose. Die Therapie gelingt nur gemeinsam mit den Patienten. Und das sind sie, liebes Publikum.
Gleichwohl, ein Ausflug abseits bissiger Gesellschaftskritik scheint auch einmal vonnöten. Deshalb heute ein Blick in meinen Garten. Der hat mich zu Beginn der Vegetationsperiode geschmerzt. Aber lesen Sie selbst.
Das Rosenbäumchen
Stets hast du liebes Bäumchen mich
erfreut mit deinem Blühen.
So rosenrot, so herziglich
mir deine Farben glühen.
Ein guter Freund warst du für mich,
warst stets bereit zu sprechen.
Ich schnitt, begoss und pflegte dich
mit Schere, Kann´ und Rechen.
Dann kam der Herbst mit seiner Pracht.
Du blühtest unverdrossen,
bis eine harte Wintersnacht
hat eisig dich umschlossen.
Kein warmes Kleid, das dich erwärmt,
kein Flies hatt´ ich gegeben.
Da hast du leise und verhärmt
geendiget dein Leben.
Auf deinen toten Blättern lag
ein Funkeln, glitzernd kalt.
Ein scheuer Blick und ich erschrak.
Mein Herz fühlt´ ich umkrallt.
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