Nr. 201: Die Gier brennt in seinem Hirne so heiß

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

heute präsentiere ich Ihnen einmal eine klassische Ballade. Früher wurden Balladen mit großer Spannung gelesen. Für die Leser waren sie weniger Literatur, als aufregende Geschichten.

 

Das wussten natürlich auch Autoren wie Goethe und Schiller. Beide deklarierten das Jahr 1797 als ihr „Balladenjahr“. Innerhalb weniger Monate entstanden viele der bekanntesten Balladen, Goethes "Der Zauberlehrling" oder Schillers "Der Ring des Polykrates".

 

Ein weiterer Großmeister der Balladendichtung ist Heinrich Heine. Von seiner Ballade „Belsatzar“ habe ich mich zu meinem Belsatzar anregen lassen. Warum? Vielleicht kommt Ihnen beim Lesen so eine Idee…

 

 

Belsatzar                   

 

Der Mond verhüllt sein bleich´ Gesicht.

Die Burg dort droben sieht man nicht.

 

Ein einziges Fenster ist erhellt.

Hier grübelt der König weitab von der Welt.

 

Schon lang hat ihn keiner mehr besucht.

Und wer es wagt, der wird verflucht.

 

Sein Blick ist starr. Sein Atem geht schwer.

Er lässt von seinem Wahnwitz nimmermehr.

 

Schon jetzt hat der König viel Land errafft.

Ein Raub, der ihm dennoch kein Ruh´ verschafft.

 

Die Gier brennt in seinem Hirn so heiß,

von der nur der König selbst etwas weiß.

 

Nun hat er erneut seinen Soldaten befohlen,

ihm noch mehr Land und Menschen zu holen.

 

Sein Brudervolk überzieht er mit Terror und Krieg.

Was für den König allein nur zählt, ist der Sieg.

 

Der Sieg über die Freien, über Recht und Moral.

Er will Ideen zerstören mit Feuer und Stahl.

 

Und wütender noch morden seine Soldaten.

Noch grauenvoller sind ihre schrecklichen Taten.

 

"Schon bald bin ich der Herrscher der Welt.      

Auf die Kniee ihr alle, ich bin euer Held",

 

und schreit der Menschheit ins Gesicht voller Spott,

"Ich bin der Größte. Ich bin größer als Gott.

 

Dich Gott reiß ich von deinem Thron.

Ich bin jetzt der neue Gottessohn!"

 

Und da, in eben jenem grausen Moment

da verdunkelte sich das Firmanent.

 

Der Wind hörte zu wehen auf.

Die Natur hemmt´ ihres Wachstums Lauf.

 

Die Schwerter entfielen der Soldaten Hand.

Das Kriegsglück wendete sich im ganzen Land.

 

Zu der Burg rottete sich das Volk in Scharen,

um zu rächen das, was ihm widerfahren.

 

Und als sie an der Burg angekommen,

da staunte das wütende Volk beklommen.

 

Offen fanden sie das riesige eiserne Tor.

Nicht eine Schildwach stand zum Schutze davor.

 

Leer war der Burghof, kein Mensch in den Gängen,

wo sich sonst die Bediensteten drängen.

 

Wo Gläser klangen und Musik war zu hören,

tat kein einziger Laut die Stille stören.

 

Denn als sich das Kriegsglück wendete in voriger Nacht,

haben den König seine Günstlinge umgebracht.

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