Nr. 233: Nur Du, Du, Du allein...

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

unsere Konventionen bröckeln. Der Vorstandsvorsitzende tritt ohne Krawatte vor seinen Aufsichtsrat. Telefonate werden während eines Seminars geführt, E-Mails während eines Meetings beantwortet, Gesprächspartner versetzt. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, Egoismus und Ignoranz bestimmen den Arbeitsalltag. Eltern sind mehr Kumpels als Vorbilder. Lehrer haben als Respektsperson abgedankt.

 

Ob man diesen Wandel für sich persönlich übernimmt, entscheidet aber immer noch der Einzelne selbst. Ich habe da so meine roten Linien. Von einer handelt das folgende Gedicht.

 

Ein Herzenspfand

 

Früher war´s, in fernen Zeiten.

Das „Sie“ war üblich überall.

Es schützte vor Vertraulichkeiten.

Es war des Umgangs Regelfall.

 

Wurd´ von dem Grundsatz sich entfernt,

dann lagen gute Gründe vor.

Die Menschen hatten es gelernt:

Wer vorschnell duzt, der ist ein Tor.

 

Das „Du“, das war ein Herzenspfand.

Es war ein selt´nes Freundeszeichen,

das Menschen lebenslang verband

und erst dem Tode musste weichen.

 

Heut´ ist das „Du“ der Umgangston.

Ob Du´s begrüßt, ob´s Dich verletzt,

Du wirst geduzt, da hilft kein Droh´n.

Der Pöbel hat es durchgesetzt.

 

Jedwede taktlose Person,                              

die rückt verbal Dir auf die Pelle,

als kenntest Du sie lange schon.

Und das sind keine Einzelfälle.

 

Ein Möbelhaus erfand den Dreh.

Das duzt Dich immer konsequent.

Auch für die Hotline am PC

bist Du mehr Kumpel als Klient.

 

Und im Gespräch beim Elterntreffen,

wenn  Du als „Siezer“ bist bekannt,

dann hört man Volkesstimme kläffen:

Na, der ist aber arrogant.

 

Mir scheint, dies Urteil offenbart,

wie dämlich ist des Volks Geschwätz.

Doch das ist nun mal Menschen Art.

Für mich gilt anderes Gesetz.

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Seien Sie ruhig einmal Außenseiter. Wer nicht mit der Masse heult, kann nur gewinnen.

Und - bleiben Sie gelassen. Weihnachten ist nur einmal im Jahr.

 

Herzlichst

 

Ihr

 

Rainer Sliepen