Nr.46: Will auch Banause sein, wie Ihr

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

Stille ist ein wesentliches Element in der Kunstmusik. Das Gehörte will verarbeitet werden. Wenigstens für einen kurzen Augenblick des Innehaltens. Den Tönen nachlauschen, sie verlöschen lassen. Doch diese Atempause ist dem sensiblen Konzertbesucher selten vergönnt. Applaus, Aufschreie, Pfeifen – weg ist er, der so kostbare Moment des mit sich Alleinseins. Dennoch formuliere ich hier eine vermutlich vergebliche Hoffnung. Ihr Störenfriede, lest:

 

Herzliche Bitte

 

Kaum, dass der letzte Vers gesprochen,

der letzte süße Ton verklingt,                                  

kaum, dass der Vorhang rauschend fällt,

Dein Ich um seine Fassung ringt

 

und Du aus der Verzauberung Tiefe

von rauer Wirklichkeit verwirrt 

nur mühsam die Erregung bändigst,

die noch in Deinen Innern schwirrt…

 

…dann brandet gleich der Beifall auf,

von groben Fäusten wild erzwungen

und tötet jede milde Regung,

die Deines Herzens Raum durchdrungen.

 

Die Illusion wird hingerichtet,

der kurzes Schweigen doch gebührt,

die Dich auf ihren sanften Schwingen

in eine bessere Welt entführt.

 

Lasst mir Momente stiller Ruh´.

Sekunden nur erbitt´ ich mir.

Dann will ich jubeln, klatschen, schreien,

will auch Banause sein. Wie Ihr.

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