In-Kun Park bei einem Gespräch in der Städtischen Musikschule in Braunschweig Foto: R. Sliepen
Benefizkonzert in Steterburg
In-Kun Park spielt populäre Beethoven-Sonaten
27. März 2022, von Rainer Sliepen
Von der grausamen Realität unserer Tage bleiben auch die Kulturräume nicht verschont. In-Kun Park, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer des Louis-Spohr-Forums, lud deshalb zu einem Benefiztag zugunsten der Ukraine-Hilfe des Bündnisses „Aktion Deutschland Hilft“ in das Stift Steterburg ein. Spenden waren ausdrücklich erbeten. Dafür bekam das Publikum den kulturellen Gegenwert wunder-barer Musik, gespielt vom Jugend-Sinfonie-Orchester der Städtischen Musikschule Braun-schweig und vom Morpheus-Trio Berlin, verstärkt am Flügel durch In-Kun Park.
Ich will mich auf ein Konzert dieses umfangreichen Pro-grammangebots, das um 15 Uhr begann und um 22:30 Uhr endete, beziehen. Aus dem Zyklus aller Beethoven-Kla-viersonaten spielte In-Kun Park den dritten Teil mit besonders markanten und populären Wer-ken. Benefiz als Gewissens-beruhigung? Diese provokante Frage stellte In-Kun Park an den Beginn seiner Begrüßung. Nein, so seine Antwort. Dankbarkeit für das, was wir hier heute gemeinsam erleben dürfen und was vielen Menschen derzeit verwehrt bleibe. „Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen…“, Park stockt kurz und findet dann die richtigen Worte „ein nach-denkliches und frohes Musik-erlebnis.“ Die Sonate Nr. 12 A-Dur, op. 26 setzt ein mit dem Thema des Variationssatzes. Einfach, schlicht und doch von berückender Schönheit. Dieses Konzept behält Park bei. Alle fünf Variationen schöpfen aus dem Geist einer ungekünstelten Schlichtheit. Sie entspringt dem übervollen Herzen seines Schöpfers. Von drängender Unruhe über ein verschattetes Moll mit kaum unterdrückter Erregung bis hin zu einer wie von einem Lichtstrahl erfüllten Hymne, führt Park das Thema, einem Wanderer gleich, der sich von der Mühsal einer schweren
Last befreit fühlt. Das Scherzo wirkt denn auch in seiner springlebendigen Vitalität wie ein jubelndes Bekenntnis zur Freiheit.
Absolute Musik hat es gegenwärtig schwer. Die Ereig-nisse in der Ukraine lassen sich von der Musik kaum trennen. Im Trauermarsch wird die Brutalität des Krieges durch wuchtig krachende Akzente beschworen, die den Beobachter an den Krieg im Nachbarland erinnern.
Und doch, im Mittelteil weckt In-Kun Park mit an Pauken ge-mahnende rumorende Bässe und fanfarenähnlich klingende Obertöne die Hoffnung auf ein gutes Ende. Wie eine Einlösung dieses Versprechens setzt dann der Finalsatz ein. Ein beseli-gender Tanz, der noch die Kämpfe ahnen lässt, beschließt die eindrucksvolle Sichtweise des Interpreten.
Das, was unter normalen äuße-ren Umständen vor allem als ästhetischer Reiz empfunden wird, bekommt gegenwärtig eine gesellschaftspolitische Dimen-sion. „Quasi una fantasia“ ist die Sonate Nr. 13 in Es-Dur op. 27,1 überschrieben. Zart, zauberhaft beginnt Park das Andante. Ge-dankenverloren, wie ein glück-lich sich in ein Spiel versen-kendes Kind.
Doch Vorsicht, schon bricht Unvorhergesehenes mit wilder Beschleunigung herein. Vorbei ist die Ruhe. Und dann das rhythmisch und vital dahinjagende Allegro molto mit peitschenden Akzenten. Und schon wieder heftiger Kontrast mit dem zauberhaft ausgebrei-teten Adagio. Hier meditiert Beethoven und mit ihm sein Interpret über „das, was die Welt zusammenhält“, als möglichen Verlust der Schönheit unserer Schöpfung. Schließlich das Allegro vivace. Ein dahin wirbelnder Titanentanz, drama-tisch gestaltet, mit kontra-
punktischen Einschüben und - plötzlich aus der Explosivität heraus - einer spektakulären Vollbremsung. Das Adagio. Wie eine beruhigende Erlösung aus einem apokalyptischen Traum. Eine Fantasia? Nur bloßer Schönklang? Das Publikum wird die Antwort empfunden haben.
Zum Abschluss erklingt die Sonate Nr. 14 in cis-moll, op. 27,2. Der Musikschriftsteller Ludwig Rellstab fühlte sich beim Hören des ersten Satzes an eine nächtliche Bootsfahrt auf dem Vierwaldstättersee erinnert. Ihm ist der Titel "Mondschein-Sonate" zu verdanken. Ein wunderbarer romantisierender Titel. In-Kun Park breitet einen transparenten duftigen Klang-schleier aus, auf dem das über-irdische Thema durch den ba-rocken Kirchenraum der Stifts-kirche zu schweben scheint. Ist Schönheit Beethovens Botschaft an die Menschheit? Oder soll sie anregen, über die Verletzlichkeit der Welt nachzudenken, über das, was immer gefährdet erscheint und gerade jetzt in besonderem Maße? Nun, Beethoven war kein Prophet. Er war Musiker mit durchaus irdischen Interessen. Aber Zeit-losigkeit und Aktualität seiner Werke lassen eine solche Deu-tung durchaus zu. Das nach dem verspielten lieblichen Allegretto des zweiten Satzes von In-Kun Park entfesselte finale Presto taugt als Beweis für diese Idee. Wie eine mächtige Brandungswoge lässt In-Kun Park das Thema immer wieder gegen einen Widerstand anrollen. Unverzagt, ohne Mutlosigkeit, im festen Glauben an die eigene Mission. Ein Bild, sicher. Aber voller zeitloser Bezüge. Langer Applaus für einen großartigen Künstler und seine mutmachenden musika-lischen Sichtweisen.