Die Rentnerrunde - dem Leben abgelauscht

 

Vorab soviel:

woran erkennt man, dass es Frühling wird? Jawohl, am ersten zarten Grün. Aber nicht nur. Auch am Zusammenrotten älterer Herren in den Fußgängerzonen. Körperlich gut erhalten. Einheitlich uniformiert mit Funktionsjacken und vereint durch die Abneigung vor putzenden und lüftenden Ehefrauen. Die Rentner.

 

Ich beobachte eine solche Runde schon seit Jahren. Es sind Frieder, Gerd, Heinz und Klaus. Sie leben in und um Wolfenbüttel. Ihr Alter: Zwischen 67 und 73 Jahren. Zwei Pensionäre des mittleren Beamtendienstes. Ein gewesener selbstständiger Handwerksmeister und ein pensionierter Lehrer. Sie treffen sich immer vor Tchibo. Und diskutieren mit großem Ernst das große und kleine Weltgeschehen. Seien Sie gespannt.

 

Hier das allererste Zusammentreffen

Eine Rentnerrunde/1

 

Vier Männer sitzen da herum,

der Eine dick, der Andere stumm,

der Eine laut, der Letzte dumm.

So sitzen sie, wer weiß warum.

 

Sie sitzen hier seit langer Zeit.

Der Eine schmal, der Andere breit.

Der Dritte voll Behäbigkeit.

Der Vierte liebt den Zeitvertreib.            

 

Wär einer nicht gekommen heut,

so wären´s deren dreier Leut`.

Die säßen da und wär´n erfreut,

weil´s Dreiertreffen keinen scheut.

 

Nun schweigt die Runde einvernehmlich.

Zweie schaun wie immer dämlich.

Der Dritte trinkt den Kaffee aus.

Der Vierte will noch nicht nach Haus.

 

"S´ist ruhig heut an unserem Ecktisch“.

Darauf der Zweite: „Nicht so hektisch“.

Worauf der Dritte kommentiert:

„Schon lang nicht mehr so amüsiert“.

 

Nach dieser wüsten Redeschlacht,

der Eine raucht, der Andere lacht.

Der Dritte will noch einen heben.

Der Vierte sagt: “Schön ist das Leben“.

 

Nun geht das Treffen an sein End.

Der Erste ist schon eingepennt.

Der Zweite hilft ihm heimwärts gehen.

Die Letz´tren schwanken schon im Stehen.

 

„Gelt, Heinz, auf morgen, bitteschön“,

grüßt Klaus die Beiden, „Wiedersehn“.

Darauf der Kumpel Gerd zum Frieder:

„Natürlich, Morgen, immer wieder“.

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Eine Rentnerrunde/2

 

Liebe Fußballfreunde,

 

Sie erinnern sich? Yogi hat unsere verdienten Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller aus der Nationalelf eliminiert. Ein echter Aufreger für unsere Altherrenriege. Verfolgen Sie die Diskussion am Tchibo-Stammtisch:

 

Kaum ist der letzte Frost gewichen

stellt Tchibo schon die Tische raus.

Und wer kommt zügig angeschlichen?

Der Frieder, Heinzi, Gerd und Klaus.

 

Der Winter ist längst im Exil.

Man kann dem Ehegaul entweichen

Und Laberthemen gibt es viel.

Zum Beispiel: Das Fällen deutscher Eichen.

 

Der Yogi, jammert Frieder flott,

den darf man niemals wieder loben.

Jérôme war unser Schlachtengott.

Und nun? Aufs Altenteil geschoben.

 

Und Dieter? wirft der Heinzi ein.

Wer hat die Tore denn gemacht?

Das war doch unser Edelstein.

Gemüllert hat er, dass es kracht.

 

Von Mats, dem Hummels nicht zu schweigen.

Sein Köpfchen war wie eine Bank.

Ein Spiel mit ihm? Kaum zu vergeigen!

Enttäuschung macht den Klausi krank.

 

Da meldet sich das Gerdchen schon.

Obwohl… Nun ja… Es tut mir leid…

Dem Jérôme fehlt´s an Kondition.

Und Hummels an Geschwindigkeit.

 

Ein Klotz ist der, denkt nur an Geld.

Und Dieter lebt von alten Zeiten.

Der Yogi, der bleibt unser Held.

Der traut sich, mit den Stars zu streiten.

 

Jawoll, so grölen Heinz und Frieder.

Wir brauchen keine alten Säcke.

Die Fußballherrlichkeit kommt wieder.

Wenn nicht, schreit Klausi, ess ich Knäcke.

 

Das letzte Wort, das kommt von Gerd.

Gut, dass wir mal gesprochen haben.

Die Alte steht seit Zehn am Herd.

Ich geh mich jetzt an Rippchen laben.

 

Eine Rentnerrunde/3

 

Frühlings ist´s. Man sitzt zusammen.

Fröhlich klappert das Geschirr.

Unsere Rentner sich entflammen

in Gesprächen, laut und wirr.

 

Frieder schreit: Wir, die Germanen

sind die freundlichste Nation.

Wo Du hinschaust, Muselmanen.

Vorbild sind wir lange schon

 

für die Welt, die voller Hass.

Wär ich Türke, lacht der Klaus

hätt ich auch den deutschen Pass

und vom Staat geschenkt ein Haus.

 

Und wer zahlt die kleinsten Mieten?

Unser Gerd weiß es genau.

Die Sunniten und Schiiten

im sozialen Wohnungsbau.

 

Alle hocken dicht an dicht,

Aishe, Eylül und Beralt.

Und das gute Heinzchen spricht:

Das stärkt den Zusammenhalt.

 

Jeder hat Beschäftigung.

Ob beim Müll, beim Gräberjäten.

Alle bleiben so in Schwung

und finden Trost in den Gebeten.

 

Brav verrichten sie ihr Soll

Levent, Malik, Mehmet, Mete.

Deshalb sind wir  liebevoll

auch wenn uns das Ausland schmähte.

 

Plötzlich schreit der Gerd voll Wut,

es ist nur der Asylant,

dem der Staat so Gutes tut.

Liebevoll? Wir sind viel zu tolerant.

 

Jetzt haben wir die Schnauze voll.

Man sieht sie ihren Missmut schüren.

Ihren aufgestauten Groll

werden gleich die Eh´fraun spüren.

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Rentnerrunde/4: Pubertäre Nörgelei

 

Verwundert reiben sich die Schnäbel

die Tauben Rosalie und Mabel.

So greller Lärm in ihren Ohren.

Wer hat so früh hier was verloren?

 

Doch schnell verfliegen Vogelsorgen.

Die Rentner sind´s, wie jeden Morgen.

Von Zehn bis Zwölf, mal laut, mal leise,

wird hier gestritten. Selten weise.

 

Was für den Stier das rote Tuch

ist für die Rentner Gretas Spruch,

die Alten seien Klimasünder 

und Weltenuntergangsbegründer.

 

Schon lässt sich unser Gerdchen hören.

Prügel verdienen diese Gören.

Und zwar ´ne doppelte Portion

gleich mit dem Frühstücksmüsli schon.

 

Des Frieders Adern schwellen an.

Wir brauchen einen starken Mann.

So einen, der hier Ordnung schafft

mit führergleicher Willenskraft.

 

Der sollte heut´ sich wieder trauen

und feste Arbeitslager bauen.

Dort lernt man Disziplin und Zucht.

Vorbei wär´s mit der Drogensucht…

 

… und mit der Nörgelei von Pubertären.

Die könne man getrost entbehren.

Schon meine Alte, lacht der Heinz,

kriegt für ihr Schweigen stets ´ne Eins.

 

Und für ihr Kochen, sagt der Klaus.

Das zieht mich jetzt zurück nach Haus.

Vielleicht hab ich den alten Zossen

doch manchmal in mein Herz geschlossen.

 

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Eine Rentnerrunde/5: Die Alte nervt

 

Da sitzt der Frieder ganz allein.

Wo mögen denn die Kumpels sein?

Es ist schon Zehn, die Glocke pingelt.

Da kommt der Heinzi angetingelt.

 

„Warum so spät, Du altes Haus?“

schallt´s aus dem Tchibo-Café raus.

„Wie geht´s denn immer“, schnelle Frage.

„Gestern ging´s noch", so die Lage.

 

„Wo sind die Andern?“ fragt der Frieder.

(Der Frieder fragt das immer wieder).

Doch da, wer sagt´s denn, kommen zwei.

Das ist der Klaus mit Gerd dabei.

 

„Na Ihr Säcke“, grunzt der Gerd.

„Selbst Sack“, so kontert Heinzi unbeschwert.

Hier haben sie ihre Oase,

hier tanzt ihn´n keiner auf der Nase,

 

so wie im Eigenheim zu Haus.

„Die Alte nervt“, so Kumpel Klaus.

„Tür auf, Luft rein. Das tut mir weh.

Da geh´ ich stiften. Prost Kaffee“.

 

„So wie bei uns“, echot der Chor.

Sagt Heinzi: „Reinster Hausterror“.

Und nun ein Wörtchen zur Regierung:

„Die schief gegangene Sondierung…“

 

„…jawohl, die denken nur an sich“.

„Ans Taschen füllen, nie an mich“.

„Ans Fressen, Saufen, Gottverdammt“.

„Ja, Schieber sind das, allesamt“.

 

Der Gerd lässt leise Blicke schweifen.

In jenen Po möchte er gern kneifen.

Zu Haus gab´s früher so was auch.

Jetzt Hängetitten, Schlabberbauch.

 

„Na Leute, war mal wieder schön.

Wir können jetzt nach Hause gehen.

Sie sind wohl fertig unsere Elfen.

Jetzt lohnt sich´s nicht mehr, mitzuhelfen“.

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Eine Rentnerrunde/6: Schwänze statt Eier

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

auf manche politischen oder gesellschaftlichen Tatbestände reagieren unsere Rentner Gerd, Klaus, Heinz und Frieder, wie der Stier auf das rote Tuch. So auch auf die von der Commerzbank gesponserte Kampagne zum Auftakt der Frauenfußball-WM 2019 in Frankreich. Der provokativ empfundene Höhepunkt des vom DFB autorisierten TV-Clips: "Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze!"

 

Am Tchibo-Eck ist der Teufel los: „Männer, man will uns enteiern!“ Ich habe die wüsten Tiraden belauscht:

 

 „Das ist ein Angriff auf uns Männer,“

hört man laut den Frieder schrein.

„Unsere Eier sind die Renner,

da redet uns kein Weibsbild rein.“

 

„Ohne Eier bleiben Damen,“

kreischt das Kläuschen voller Wut,

„wie der Acker ohne Samen.

Männer, bleibet auf der Hut

 

vor den Frauen, die hier dreist

unsere Männlichkeit negieren.

In den Hoden sitzt der Geist,

mit dem wir freche Frau´n regieren.“

 

„Und statt Eiern Pferdeschwänze?“

Unser Gerd fühlt sich erschreckt.

„Was soll´ n diese Eier-Tänze?

Ich bitte doch um mehr Respekt.“

 

„Voll daneben“, sagt der Heinz.

„Der DFB, der ist im Wahn.

Bei Schwänzen sind wir Nummer 1.

Sogar bei Eiern sind wir Hahn.

 

Hühner aber sind die Frauen.

Eier legen dürfen die.

Dürfen deshalb drauf vertrauen,

dass wir feste treten sie.

 

Treten können Frau´n den Ball.

Da sind wir ganz konziliant.

Aber eines gilt in jedem Fall:

Wer Eier hat, hat auch Verstand!“

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Eine Rentnerrunde 7: Gesichtsverlust

 

Leere Straßen, leere Plätze.

Niemand da. Ist früher Morgen.

Kein Gedrängel, keine Hetze.

Stille ruhen alle Sorgen.

 

Nur vor Tchibo sitzen Vier,

die den Ehefraun entfliehn.

Frieder hat als Souvenir

Einen Zettel auf den Knien.

 

Butter, Eier, Salz, Tomaten,

alles das soll er besorgen.

„Das vergess ich“, sagt der Frieder,

„soll sie´s doch beim Nachbarn borgen.

 

„Hausarbeit ist was für Sklaven“,

sagt der Heinzi selbstbewusst.

„Putzen ist für uns, die Braven,

letztlich nur Gesichtsverlust“.

 

„Hier ist Ruhe“, sagt der Gerd.

„Keine Lappen, keine Eimer.

Mitarbeit hat sie verwehrt,

meine Alte, der Oldtimer.

 

Zum Scheuern hat sie freie Bahn.

Ich weiß nun mal was sich gehört.

Die Frauen haben den Elan.

Ich bin der Letzte, der sie stört“.

 

„Manche Damen können mehr“,

sagt der Klaus und starrt auf Tina.

Das Fahrgestell hilft im Verkehr.

Kann nich´ meckern, alles prima“.

 

Dem Lachen fehlt die echte Würze,

denn früher gab´s  sowas daheim.

Heute geht kein Ehemännchen

der grauen Gattin auf den Leim.

 

„Dann auf Morgen, Ihr Strategen“,

ruft der Frieder durch den Shop.

„Ist wohl Schluss jetzt mit dem Fegen

Und verstaut ist auch der Mopp“.

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Eine Rentnerrunde 8: Ehrenamt

 

Obwohl noch früh, klingt´s dennoch schon

wie eine grelle Explosion.

Ohne eine Anwärmphase

gerät der Frieder in Extase:

 

„Gott verdammt, mir reicht es jetzt.“

Klaus, Heinz und Gerd, die sind entsetzt:

Hock friedlich dich in unsere Runde,

rufen sie aus einem Munde.

 

Doch des Frieders Angesicht

ist verzerrt wie lange nicht.

Meine Alte, schreit er schon,

spielt zu Haus´ Revolution.

 

Hat sie nicht ein gutes Leben?

Hab ihr Dach und Bett gegeben.

Arbeit gab es stets genug.

Niemals ich die Meine schlug.

 

Vielleicht war es ein großer Fehler

und ich lebte heut fideler

wär ich ledig und allein

ohne ihre Nörgelei´n.

 

Und als Dank will mein Gesponst

auswärts schaffen für umsonst.

Sie nennt das ein Ehrenamt.

Ich nenn´s schludrig, Gottverdammt!

 

Ich bin ihr Sozialprojekt.

Ich brauch Essen, was mir schmeckt.

Wenn Sie helfen will, dann mir!

Pünktlich meine Flasche Bier.

 

Schaffen nur zu Anderer Wohle?

Da kürz ich ihr die Haushaltskohle.

Ehrenamt? Das find ich gut,

wenn es mir nur nutzen tut!

 

Bravo! Rufen die Kollegen.

Abwasch, Putzen, Waschen, Fegen!

Die Ehefrau gehört ins Haus.

Der Mann geht in die Welt hinaus.

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Eine Rentnerrunde 9: Hier ist der Schwarze froh und frei

 

Liebe Freundinnen und Freunde unseres Quartetts,

 

so sind wir Deutsche. Selbstgefällig protestieren wir gegen den Rassismus in den USA. Schnell sind flotte Sprüche gepinselt. Und über den Demonstrationen weht der Hauch der Selbstgerechtigkeit. Deutschland – ein Hort der Gleichheit aller Nationalitäten. 

 

Sag mal, liebes Publikum, bist du wirklich so dumm?

 

 

Black Lives Matter

 

Sind wir hier vorm Weißen Haus?

Nein! Doch Frieder, Heinzchen, Gerd und Klaus

nutzen ihre Tchibo-Runde

zu einer aktuellen Stunde.

 

Thema ist der böse Trump.

Der als weltbekannter Lump

und als fanatischer Rassist

sät in seinem Volke Zwist.

 

Der soll sich ein Beispiel nehmen.

Denn wir Deutsche schämen

uns für unsere Neger nicht,

Gleichheit, sagt der Frieder, ist uns Pflicht.

 

Wie man aussieht, ist egal.

War ja nicht die eigene Wahl.

Haare, Haut und Lippenform

sind nicht deutsche Einheitsnorm.

 

Sagt das Gerdchen: Künstlerpech.

Schauste auf der Straße wech´.

Anders sind sie, sagt der Klaus,

sind ja nicht bei uns zu Haus.

 

Deshalb müssen wir drauf achten,

dass wir uns nicht überfrachten

mit der Schwarzen Fruchtbarkeit.

Fürs Schnackseln sind die stets bereit.

 

Viele Kinder, Oma, Opa,

das kennen wir nicht in Europa.

Wir schätzen deshalb ihre Wahl,

zu wohnen wie zu Haus im Kral.

 

Kost´ nicht viel. Man hockt zusammen.

Kein Parkett kann man zerschrammen.

Glücklich ist der schwarze Mann,

dass er bei uns wohnen kann.

 

Deutsch nix können, Arbeit schwer.

Solche Menschen fehlen sehr

beim Spargelstechen, Erdbeerpflücken.

Hier wird die Eingewöhnung glücken,

 

sagt das Heinzchen voller Stolz.

Deutsche sind aus anderem Holz,

als Trump und seine Polizei.

Hier ist der Schwarze froh und frei.

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