Rainer Sliepen
(2020): Sommerwunsch
Schon früh ist´s Frühling uns geworden,
kaum dass die trüben Tage fort.
Ein Blühen war´s von Süd bis Norden.
Doch Frostes Wüten war wie Mord.
Still krümmt sich´s hin an Zweig und Erden.
Der Knospen Schwur ist hingerafft.
Und doch will´s wieder Sommer werden.
Ein Sommer, der nur Ängste schafft?
Glutheiß und trocken? Ohne Pracht?
Ein fiebrig´ Abbild unserer Zeit?
O, dass mir doch dein Zauber lacht
mit samt´ner Luft und Sinnlichkeit.
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Gustav Falke (1853-1916): Sommer
Ihr singt von schönen Frühlingstagen,
Von Blütenduft und Sonnenschein,
Ich will nicht nach dem Frühling fragen,
Nein Sommer, Sommer muss es sein.
Wo alles drängt und sich bereitet
Auf einen goldnen Erntetag,
Wo jede Frucht sich schwellt und weitet
Und schenkt, was Süsses in ihr lag.
Auch ich bin eine herbe, harte,
Bin eine Frucht, die langsam reift.
O Glut des Sommers, komm! Ich warte,
Dass mich dein heisser Atem streift.
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