Ein Abend mit Robert Kreis

Die Goldenen Zwanziger Jahre werden im Lessingtheater lebendig

von Rainer Sliepen, Denkte, 13.01.2024

 

Kein Denkmal seiner selbst

 

Man könnte meinen, der Kabarettist und Pianist Robert „Robbi“ Kreis, geboren in Indonesien und aufgewachsen in den Niederlanden, sei ein Denkmal seiner selbst. Mit den gegelten, zurückgekämmtem Haaren und dem feinen aufgemalten Menjou-Bärtchen war er 2020 zum letzten Mal im Lessingtheater zu Gast. Denkmal nein, Wiedererkennung ja. Und das gilt vor allem für die Präsentation seines aktuellen Programms “Unkraut vergeht nicht“ vor nahezu ausverkauftem Haus. Das Motto ist auch eine Metapher auf den 74jährigen Entertainer selbst. Unkraut als Nahrungsmittel hat ein Revival absolviert. Widerstandsfähig erweist sich auch Kreis, der jetzt sein 50jähriges Bühnenjubiläum begeht.

Kreis wiederholt sich nicht inhaltlich. Aber sein Äußeres ist über die Jahre eine Konstante, fast wie eine kunstvolle Chiffre für den Zeitgeist der Jahre zwischen 1925 und 1932. Kürzlich hat der Wahlberliner für sein Lebenswerk, Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Juden der Nazi-Zeit, das Bundesverdienstkreuz erhalten.

 

Konservierung des jüdischen Esprits

 

65 Prozent seiner Lieder stammen von Juden, die vor 100 Jahren das wunderbare kulturelle Leben in Berlin prägten. Robert Kreis´ Verdienst ist neben der Konservierung des Esprits, der beseelten Leichtigkeit und des Nonsens der alten Lieder vor allem der Hinweis auf die „Feinsinnigkeit“ seiner oftmals jüdischen Autoren aus einer Zeit der Bedrängungen und Verfolgung.

 

Als „Trüffelschwein“ bezeichnet er sich schon mal selbst. Dann nämlich, wenn er die versunkene Kunst des Kabaretts und der Unterhaltung aus der Zeit vor 100 Jahren aufspürt. Parallelen zu unserer heutigen Epoche gibt es genug. An Krisen, Krieg und Kämpfen gibt es keinen Mangel. Gleichzeitig wachse, so der Künstler, der Bedarf an niveauvoller Unterhaltung. Die Menschen aus ihrem Pessimismus herauszuholen, das ist sein Anliegen.

 

Milder und schärfer zugleich

 

Kreis ist mit den Jahren milder und schärfer zugleich geworden. Er pendelt zwischen klassischem Kabarett mit Ausflügen ins Fach der Comedians und kritischem Zeitbeobachter. Und schon intoniert er am Klavier verstohlen den Refrain eines Zarah-Leander-Hits „Davon geht die Welt nicht unter…“ Zeitlos seien die Lieder, sagt er. Und doch renne man unaufhaltsam seinem Grabe zu. Nur er nicht, er müsse doch Johannes Heesters ersetzen. Szenenapplaus! Dann folgt der frivole Robert Kreis mit einem dahingeträllerten Liedchen über den Seitensprung. Motto: „Mein Bruder liebt Frauen, nur kann er nicht treu sein, sie muss immer neu sein.“ Und für Witzchen über Schwiegermütter und Damenunterwäsche ist sich Kreis auch nicht zu schade. Die Grenze zum Herrenwitz wird aber nie überschritten. Das geht deutlich zu Lasten des Anteils der Musiknummern.

 

Eher respekt- und liebevoll 

 

Doch zu kritisieren gibt es für ihn nun mal viel. Zum Beispiel den Ausdruck „schwul“. Seine Niederländer bezeichneten diese Personen als „verzaubert“. Und was sind Bi-Sexuelle? Kreis: „Von beiden Seiten bespielbar“. Das klinge doch eher respekt- und liebevoll. Und schon wechselt er zum „Hoppla, jetzt komm ich“ des „großen Blonden“ Hans Albers und zum grandiosen „Blusenkauf“ seines Lieblingsautors Otto Reutter. Dann Kreis´ Wandlungsfähigkeit mit dem romantischen Lied „Die Liebe ist ein Geheimnis“. Das klingt aufrichtig, zärtlich, hingebungsvoll. Der Rest ist finale Routine. Robert Kreis verbeugt sich vor seinem hingerissenen Publikum. Langer Applaus. Zugaben. Ein attraktiver Abend im Lessingtheater findet seinen würdigen Abschluss.