Heinrich Heine (1797-1851): Sie erlischt*

 

Der Vorhang fällt, das Stück ist aus,
Und Herrn und Damen gehn nach Haus.
Ob ihnen auch das Stück gefallen?
Ich glaub, ich hörte Beifall schallen.

 

Ein hochverehrtes Publikum
Beklatschte dankbar seinen Dichter.
Jetzt aber ist das Haus so stumm,
Und sind verschwunden Lust und Lichter.

 

Doch horch! ein schollernd schnöder Klang
Ertönt unfern der öden Bühne; ­
Vielleicht, daß eine Seite sprang
An einer alten Violine.


Verdrießlich rascheln im Parterre
Etwelche Ratten hin und her,
Und alles riecht nach ranzgem Öle.


Die letzte Lampe ächzt und zischt
Verzweiflungsvoll und sie erlischt.
Das arme Licht war meine Seele.

__________________________________

*Aus Romanzero/Lamentationen, erschienen 1851, Matratzengruft

 

Rainer Sliepen: Er erwacht

 

Der Funke, der den Saal erhellt,

erlischt und still wird die Theaterwelt.

Man leert die vollen Abendkassen.

Parkett und Ränge sind verlassen.

 

Wo eben noch des Dichters Wort

die Herzen und die Sinnen rührte,

wo Liebe wandelt sich zum Mord

und Edelmut zu Tränen führte,

 

da klappern Eimer, fegen Besen.

Man stellt im Graben Ordnung her,

als ob hier Mühsal wär gewesen

und nicht der Künste höchste Zier.

 

Verstaut sind Mopp und Aufwischlappen.

Die Türen knallen, Schlösser schnappen.

Der Saal liegt still in tiefer Nacht.

 

Plötzlich ein zarter Glockenton.

Und da hört man das Wispern schon.

Der munt´re Bühnengeist erwacht.

 

Schon summt es durch den großen Saal

fröhlich wie aus tausend Kehlen.

Es weicht das Dunkel hellem Strahl.

Ein Fest für die Theaterseelen.

________________________________