Liebe Leserin,
lieber Leser,
heute lesen Sie zum Auftakt erstmals ein Gedicht aus meiner Reihe „Klassiker runderneuert“. Der Germanist spricht hier von Kontrafaktur, „bei der“, so Wikipedia, „aus einem Kunstwerk unter Beibehaltung bestimmter Formbestandteile ein neues Kunstwerk gemacht wird“.
Hier habe ich mir voller Respekt Lessings Lob der Faulheit zum Vorbild genommen. Dabei
habe ich festgestellt, dass sich seine humorvollen Gedichte besonders gut zur Um- bzw. Nachdichtung eignen. Sie werden also künftig neben anderen Klassikern vor allem den Wolfenbütteler
Bibliotheksdirektor in neuem Gewand besichtigen können.
Sliepen: Die Faulheit
Auftragsarbeit mag ich nicht.
Ich entscheide ganz allein,
ob mir sauer wird die Pflicht,
die mir soll beschieden sein.
In der Regel bleib ich liegen.
Faulheit wird vor Eifer siegen.
Denn zu kurz ist unser Leben,
es mit Arbeit zu verscherzen.
Ich will Winzern Arbeit geben
und noch viele Mädchen herzen.
Arbeit also gibt´s genug.
Nie bin ich hier in Verzug.
__________________________
Lessing: Die Faulheit
Fleiß und Arbeit lob′ ich nicht.
Fleiß und Arbeit lob′ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.
Bruder, lass das Buch voll Staub.
Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Lass uns faul in allen Sachen,
Nur nicht faul zu Lieb′ und Wein,
Nur nicht faul zur Faulheit sein.
___________________________