Liebe Leserin, lieber Leser,
in dieser Woche beginnt der Herbst und der Winter ist auch schon zu ahnen. Schluss ist´s mit den heißen Sommertagen, bunten Longdrinks, den endlosen Abenden mit samtener Luft in traumverlorener Atmosphäre. Statt praller Lebenslust Heulen und Zähneklappern?
Wenn Sie das denken, befinden Sie sich in guter, in allerbester Gesellschaft. Lessing, der große Aufklärer, hat das nämlich ähnlich gesehen und ein Gedicht geschrieben. "Brüder, lobt die Sommerzeit" ist seine Botschaft. Im Vertrauen, es ist ziemlicher Unsinn. Jawohl, absoluter Unfug.
Richtig ist, was ich geschrieben habe. Mein Gedicht beginnt, Sie ahnen es vielleicht, so: "Brüder, lobt die Winterszeit". Ich halte meine
Argumentation für wesentlich stärker als die Lessings. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie hier!
Lessing: Der Sommer
Brüder! Lobt die Sommerszeit!
Ja, dich, Sommer, will ich loben!
Wer nur deine Munterkeit,
Deine bunte Pracht erhoben,
Dem ist wahrlich, dem ist nur,
Nur dein halbes Lob gelungen,
Hätt er auch, wie Brocks, gesungen,
Brocks, der Liebling der Natur.
Hör ein größer Lob von mir,
Sommer! ohne stolz zu werden.
Brennst du mich, so dank ichs dir,
Dass ich bei des Strahls Beschwerden,
Bei der durstgen Mattigkeit,
Lechzend nach dem Weine frage,
Und gekühlt den Brüdern sage:
Brüder! lobt die durstge Zeit!
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Sliepen: Der Winter
Brüder! Lobt die Winterszeit!
Ja, dich, Winter, will ich loben!
Du schaffst mir die Heiterkeit,
der mein Augenpaar enthoben
durch des Sommers Sonnenglut.
Gerade was das Weib beglückt,
hat mich nicht nur nicht entzückt,
sondern angefacht die Wut!
Euch will ich dies Rätsel lösen.
Sommer! Hitze in der Jahresmitten
brennt hinweg die Kleidersitten
nicht nur bei den Adipösen.
Alle zeigen ohne Gnade
feisten Bauch und Po und Wade.
Jetzt deckt dies das Winterkleid.
Brüder! lobt die kalte Zeit!
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