Nr. 123: Aufregend ist das immer Gleiche

 

 Liebe Leserin, lieber Leser,

 

wer sich in der Geschichte auskennt, weiß, was es mit dem Begriff "Gleichschaltung" auf sich hat. Es war der "ab der 1930er Jahren erfolgte Prozess der Vereinheitlichung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens in der Machteroberungsphase im NS-Staat" (Wikipedia). Nach dem Wahlsieg der Nazis war es dann soweit. Ab 1933 wurden sämtliche politischen, kulturellen und und gesellschaftlichen Einrichtungen auf das Führerprinzip umgestellt. Damit verbunden waren die Aufgabe des Pluralitätsprinzips und der Verlust der individuellen Lebensgestaltung.

 

Was erleben wir im Moment? Ebenfalls eine Gleichschaltung, insbesondere der Jugend und der jugendlichen Erwachsenen, anfangs auf freiwilliger Basis. Sämtliche Individualmerkmale der Persönlichkeit werden zugunsten von Gruppenidentitäten ausgetauscht. Freudig mutiert der Mensch zur Masse. Noch hat die Politik diesen von den großen internationalen Konzernen in Gang gesetzten Prozess nicht für die eigenen Zwecke genutzt.

 

Was sind das für Zeitgenossen, die in der großen Masse untergehen wollen? Lesen Sie meine Gedanken.

 

 

Zeitgenossen

 

Es ist ganz leicht, sie ohne Zorn zu schildern,

doch ist ein leises Staunen stets dabei.

Sie gleichen jenen bunt bewegten Bildern,

die illustrieren nur das öde Einerlei.

 

Genau das ist, was sie verbindet.

Erkennbar wollen sie nicht sein.

Nur wenn der Unterschied verschwindet,

dann stellt sich Wohlbefinden ein.

 

Vernagelt ist der Kopf mit Planken

und drinnen ist nur Konfektion.

Korrekt normiert sind die Gedanken

und niemals hörst du einen frischen Ton.

 

Aufregend ist das immer Gleiche.

Man denkt und spricht wie jedermann.

Und der ist Hecht im Karpfenteiche,

der niemals Neues sich ersann.

 

Man isst, was alle anderen essen.

Man trinkt den angesagten süßen Saft.

Und alle haben es vergessen,

dass nur aus Neuem schöpft sich Kraft.

 

Durch ihre Adern fließen Datenmengen.

Ersetzt durch Bytes ist längst das Blut.

Sie beugen gern sich unter fremden Zwängen.

So weiß man nie, warum man etwas tut.

 

Gerade deshalb lebt man ohne Sorgen.

Man will nicht wissen. Wissen stört.

Man glaubt, wie heute ist es morgen.

Glücklich ist, der jede Warnung überhört.

 

Was soll man mit solchen Menschen machen?

Soll man sie einfach übersehn?

Soll man sie hassen, sie verlachen?

Wie wär´s, ihnen die Luft zum Atmen abzudrehn?

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Nach Erich Kästner (1899-1974): „Zeitgenossen haufenweise“