Nr. 172: Einer muss jetzt auf den Thron (1)

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

in jeder Geschichte eines Volkes gibt es die großen Erzählungen vom Aufstieg und Fall von Geschlechtern und Dynastien. Oft verweben sich Sagen und historische Tatsachen. Dafür gibt es einen einleuchtenden Grund. Die handelnden Personen aus ferner Zeit haben charakterlich einen so gewaltigen Zuschnitt, den wir in unseren bescheidenen Zeiten kaum für möglich halten. Also taucht sich alles in ein Licht von Glaube, Vermutung und geschichtlichen Fakten.

 

Auch bei unserem deutschen Versepos um die Macht in Deutschland des Mittelalters ist das nicht anders. Da gibt es die sagenhafte Königin und die zwei Adelsherren, die um ihr Erbe streiten. Fürchterlich tobt der Kampf. Wer wird obsiegen?

 

Lesen Sie den ersten Teil. Zittern Sie mit den Guten, verwünschen Sie die Bösewichte.

 

Ein Volksepos in zwei Abteilungen (1)

 

Müde war die Königin.

Lang regierte sie das Reich.

Für das Volk war sie Gewinn.

Niemand kam der Herrin gleich.

 

Stolz schaut sie auf ihre Taten.

Doch ein Schmerz durchzuckt die Brust.

Was ihr auch Getreue raten,

schafft ihr Kummer, fördert Frust.

 

Niemand von des Reiches Großen

füllt der Fürstin Hermelin.

Groß die Schar, die sie verstoßen,

die am Anfang glänzend schien.

 

Übrig blieben nur Vasallen,

kleines Hirn und großes Maul.

Nur ihr schien es aufzufallen:

zum Regieren - viel zu faul.

 

Doch sie hat sich´s eingestanden.

Einer muss jetzt auf den Thron.

Es wird einer derer Granden

mit beschränkter Attraktion.

 

Seht, schon haben sich gerüstet

Armin aus dem Land des Rheins.

Während Markus stolz sich brüstet,

Fürst des fränk´schen Urgesteins.

 

Doch sie zieh´n nicht ihre Schwerter.

Entscheiden soll nicht rotes Blut,

wer ist für das Land begehrter,

wer dem Volke Gutes tut.

 

Diesmal soll´n des Geistes Waffen

bestimmen, wer wird bald regier´n.

Nur der Schlauste wird es schaffen,

dieses große Land zu führ´n.

 

 

 

Das Ringen währet dreißig Tage.

Die Spannung wächst bei Jung und Alt.

Endlich Antwort wird der Frage

und die lässt wohl niemand kalt:

 

Armin wird der nächste König.

Markus hat den Sieg verfehlt.

Und es scheint, den stört das wenig,

dass er ist nicht auserwählt.

 

Stolz zeigt Armin sich der Masse

Doch schon stolpert unser Held.

Markus hat in seinem Hasse,

ihm ein Beinchen bös gestellt.

 

Unseren Armin stört es kaum.

Er will der Versöhner sein.

denn er lebt jetzt seinen Traum:

Ich werd´ König - ganz allein.

 

Doch das Volk liebt nicht die Schwachen,

nicht die Zauderer, sanft und sacht.

Seinen Sinn kann der entfachen,

der sich wirft in jede Schlacht.

 

Und das ist der Mann aus Franken.

Der hat Mut, ist skrupellos.

Der folgt seinem Kerngedanken:

Im Kampfe immer gnadenlos.

 

Autsch! Schon trifft ein Pfeil von hinten

unseren braven Kandidat.

Ja, die lieben Gleichgesinnten

planen jetzt ein Attentat.

 

Armin tut, als merkt er nichts.

Sieht nicht Dolche, sieht nicht Speer.

Doch im Schein des Dämmerlichts

schleichen Gegner um ihn her.


 

Eben Freunde, jetzt nur Feinde,

das ist seine Heeresmacht.

Und die enttäuschte Volksgemeinde 

schallend über Armin lacht…

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Wie geht es weiter, das große Ringen? Wird Armin noch den Thron gewinnen? Vielleicht wissen wir schon im nächsten Lyrikjoint mehr.