Nr. 190: Ein Freund, ein guter Freund

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

meine Gedichtelesung im Lessingtheater vom Oktober 2020 trug den Titel: „Corona mal als Freund betrachtet“. Eine Provokation, gewiss. Aber wenn man einmal genau hinschaut, so spricht auch jetzt noch einiges für diesen Titel.

 

Corona hat uns die Augen geöffnet über so manche Lüge über uns selbst, über unsere Dominanz und Effektivität, über unser Wesen, an dem vielleicht nicht die Welt, aber unstrittig Europa genesen könne. Dieser Selbstbetrug musste der Wahrheit Platz machen. Und wer einem anderen die Augen für die Realitäten öffnet, kann doch eigentlich nur ein Freund sein.

 

 

 Nebenwirkungen

 

Das Spiel ist aus. Wir haben uns belogen.

Ein Feind hat uns die Augen aufgetan

und das enthüllt, was wir uns hingebogen.

Nun ist zerstört der kollektive Wahn.

 

Wir dachten, wir sind die Allergrößten.

An uns, da könnt´ die ganze Welt genesen.

Doch sieh, wie unsre Weltenlenker dösten.

Verrisse kann man in der Zeitung lesen.

 

Nun heißt es, den verspielten Thron zu räumen

und sich zu kleiden in ein Büßerhemd.

Wer uns gerissen hat aus solchen Träumen,

 

den sollte jeder loben, ungehemmt,

und sollt´ er den Corona-Namen tragen.

Ich werd´ ihn einen Freund zu nennen wagen.

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