Nr. 206: Ohne Weisheit doppelt schön

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

hier präsentiere ich Ihnen eine kleine Sommerszene. Eine Idylle, sonst nichts…

 

 

Beobachtungen eines in die Jahre

gekommenen Herrn bei Betrachtung

einer Strandbadszene im Jahre 2021

 

Ein Sommertag wie ein Dessert.

Noch immer scheint die Luft dieselbe.

Man meint, es wär das Mittelmeer.

Und ist doch nur das Strandbad an der Elbe.

 

Die Kleinen juchzen. Wasser spritzt.

Wo früher Dreck, da glitzert´s klar.

Und wer vom Toben nassgeschwitzt,

der findet´s kühle Tauchen wunderbar.

 

Die gleichen Menschen sind´s noch immer.

Ach nein, sie sind doch deutlich fetter.

In ihren Augen glänzt ein Schimmer

vom Wunsch nach gelegentlichem Regenwetter

 

Und über allem schwebt ein Hauch von Apathie.

Wie festgeschweißt liegt´s Badevolk auf seiner Decke.

Wo früher Mädchen reizten der Männer Fantasie,

da bleibt nun die Erotik auf der Strecke.

 

Man stiert nicht mehr aufs weibliche Gesäß.

Stattdessen surft man durch die Räume.

Ergötzt sich an der Schönheit seines Selbstportraits

und träumt grellbunt normierte Träume.

 

Der Sommer feiert sich allein in Saus und Braus.

Am Himmel grasen Wölkchen wie die Lämmer.

Die Sonne beißt am Lichtschutzfaktor sich die Zähne aus

Und abends verlöscht sie still in Gold und Glamour.

 

Der ältere Herr steht da und lächelt leise.

Auch ihm wird bald die Sonne untergehn.

Jung war er auch. Jetzt ist er weise.

Doch ohne Weisheit war das Leben doppelt schön.

 

Nun wird es kühl. Man ruft die Kleinen.

Die Großen wenden sich zum Gehn.

Leer liegt der Strand. Man könnte meinen,

hier ist seit vielen Stunden nichts geschehn.

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