Nr. 230: Freudlosigkeit liegt über ihnen

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

dass die Älteren sich schwertun, die Jugend zu verstehen, ist nicht neu. Aber hat dieses Problemfeld nicht andere Dimensionen angenommen, als man sie früher kannte? Sind die Gräben zwischen den Generationen nicht tiefer geworden, die Bereitschaft einander zuzuhören, geschrumpft?

 

Eines ist sicher, bei allem Wohlstand und Komfort haben es die jungen Leute in mancher Beziehung schwerer als früher. Sie wachsen in eine unsichere Zukunft hinein.

 

Klimawandel, Arbeitsplatzsituation, Wohnsituation, Rechtsradikalismus, Polarisierung der internationalen Lage sind da nur einige Stichworte. Ach ja, auch die Digitalisierung bringt manche Probleme mit sich.

 

Manchmal muss man nur ein Fenster öffnen, um zu begreifen.

 

 

An meinem Fenster

 

Da ziehen sie vorbei seit Jahren.

Die Stillen, Wilden, Großen, Kleinen.

Und immer hab ich so erfahren,

sie alle sind mit sich im Reinen.

 

So, wie die Schule sie entlässt

nach langen Stunden Paukerei

konnt´ ich sie sehen: Ungestresst.

Man spürt die Stimmung: Endlich frei!

 

Das schwätzt und lacht und ruft und rennt.

Und hier, still Händchen haltend kommen Zwei.

Da summt´s und plaudert´s ungehemmt.

Am liebsten wär ich auch dabei.

 

Doch was ist das? Was ist passiert?

Das junge Volk ist plötzlich stumm.

Was hat sein Leben so blockiert?

Die Augen hohl, der Rücken krumm.

 

Vereinzelt kommen sie daher.

Kein Wort, kein Lächeln, alle blind.

Und wildes Toben nimmermehr,

als ob sie fremdgesteuert sind.

 

Freudlosigkeit liegt über ihnen.

Sie brauchen das Gespräch nicht mehr.

Starr, unbewegt sind ihre Mienen

und Kopf und Herzen sind so leer.

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Ich wünsche Ihnen, dass Sie angesichts der aktuellen Probleme nicht Ihren Humor verlieren.

 

Herzlichst

 

Ihr

 

Rainer Sliepen