Nr. 241: Selbstverortung

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

nun dichte ich unverdrossen seit fast fünf Jahren für meinen Montagsblog. Dichten ist eigentlich unpräzise ausgedrückt. Ich kommentiere und ver-dichte das Zeitgeschehen. Möglichst kurz, klar, treffend. Und immer verbunden mit einer Bewertung. So verstanden können Gedichte auch heute noch aktuell sein und vielleicht sogar geliebt und gelesen werden.

 

Und deshalb bin und bleibe ich ganz klassisch: Mit strenger Metrik und meist strikt gereimt. In den Augen moderner Lyriker bin ich ein Traditionalist, wenn nicht sogar ein Reaktionär. Aber das geht mir irgendwo vorbei. Sie ahnen, wo.

 

 

Das ist die Zeit

 

Ist das die Zeit der Seelenschau

aufs eig´ne selbstverliebte Ich,

des kunstvollen Ästhetisierens?

 

Ist das die Zeit, sich zu bespiegeln,

zu zergliedern die Gefühle,

des Rückzugs in die Einsamkeit?

 

Ist das die Zeit der Sicht aufs Kleine,

der Poesie des Augenblicks,

des Drechselns von Empfindlichkeiten?

 

Das ist die Zeit, den Blick zu wenden

vom Innersten zur Wirklichkeit,

ins Trübe, Kalte, Selbstgerechte.

 

Das ist die Zeit, Partei zu nehmen

für die geschund´ne Kreatur,

für Kinder, Alte und Verfolgte.

 

Das ist die Zeit sich einzureihn

in die Phalanx der Tapfren,

Kämpfer, Widerständler.

 

Das ist die Zeit, mit Leidenschaft

zu demaskieren jedwede

Überheblichkeit.

 

Denn Poesie ist Teil der Welt,

ist wortgewaltig, öffnet Herzen,

ist eine Macht, wenn sie nur will.

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Also Augen auf. Die Schönheit lauert an Orten, wo wir sie nicht vermuten. In diesem Sinne eine hellsichtige Woche mit vielen schönen Erlebnissen. Das wünscht Ihnen 

 

Ihr

 

Rainer Sliepen