Nr. 245: Das Glück ist ewig nun

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

unsere Traueranzeigen haben sich verändert. Neben Standardsprüchen kann man auch originelle und durchaus berührende Abschiedsverse lesen. Nicht selten werden die Anzeigen mit dem Foto des Verstorbenen versehen. Nicht jeder mag das. Aber es wird zunehmend häufiger.

 

Was mich dabei berührt ist, dass das Foto eine Situation festhält, wo das Ende weit entfernt ist oder scheint. Und doch verschmilzt in dem einen kurzen Augenblick Leben und Tod zu einer vielleicht sogar glückhaften Einheit.

 

Das Foto

 

Da blickt Dich einer an aus frohen Augen.

Sitzt er beim Wein in heit´rer Runde?

Mit Zechern, die gleich ihm des Tages Last

bei fröhlichem Gesang und Scherz verplaudern?

Denkt er vielleicht für sich allein,

freudig an das, was er noch plant?

 

Den Aufstieg im Beruf? Den Urlaub mit der Frau?

Es gibt ja noch so viel zu tun. Das Haus

will er jetzt renovier´n, ein Autokauf

steht an, die Kinder wollen bald studier´n.

Er freut sich drauf, doch alles mit Gemach.

Man soll nichts überstürzen. Man hat Zeit...

 

In dem Moment drückt jemand auf den Knopf,

den Augenblick zu bannen aufs Papier.

Die Zeit steht still. Die Augen lächeln.

Seherisch? Die Endlichkeit ist aufgehoben.

Kein Anfang, Ende offen. Nur eingefang´nes Sein.

Und eben diese Augen lächeln, lächeln….

 

Sie lächeln vom Papier, das kündet seinen Tod.

Dass er gelebt, geschafft, geliebt, gehofft.

Dass er beweint von seinen Lieben jetzt

gegangen sei, ganz unerwartet, plötzlich.

Er scheint zu lächeln über die, die trauern.

Das Glück des Augenblicks ist ewig nun.

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Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Woche und dass sich der Frühling bald gegen den Winter mit seinem Schlackerwetter durchsetzt.

 

Es grüßt Sie wie immer herzlich

 

Ihr

 

Rainer Sliepen