Nr. 259: Der Tag ist jung. Die Seele singt.

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

nicht alles, was schön scheint, ist es auch. Das folgende Gedicht gibt Rätsel auf, allerdings nur, wenn man die Umstände nicht kennt oder erahnt

 

 

 

Früher Spaziergang durch einen

lieblichen Höhenzug

 

Jung ist der Tag. Die Seele singt.

Heil ist die Welt. So heil wie überall,

wo ausgespannter Himmel prangt

in weiß und blauer Fülle.

Wie eingerahmt scheint die Natur.

 

Ganz unverbraucht erglänzt ihr Mobiliar.

Hell strahlt das Grün, gelackt vom breiten Pinsel.

Daneben krustig aufgebrochen

die fette Erde dort

wie frisches Schwarzbrot im Regal.

 

Das frühe Korn gleicht einer Welle,

vom Winde sanft bewegt.

Und drüberhin die Vogelschar

mit leichtem Flügelschlage kreiselnd.

Und alles atmet Frische. Schön ist die Welt.

 

Und doch! Ein tiefes Grausen steigt vom Innern

wie Endzeitahnung mählich auf

und legt sich wie ein Leichentuch

auf eine jung verstorb´ne schöne Frau, 

in deren Leib Verwesung wütet.

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Ich verabschiede mich in einen zweiwöchigen Urlaub. Den verbringe ich mit Literatur, Musik, gutem Essen und in einer fröhlichen Grundstimmung, die mir eine hoffentlich lange Pause vom allgegenwärtigen Pessimismus ermöglich wird.

 

Alles Gute für Sie wünscht Ihnen

 

Ihr Dichter

 

Rainer Sliepen