Nr. 261: Seine Vergesslichkeit spricht Bände

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

unsere Lebenserwartung steigt und steigt. Sie liegt nach den Ergebnissen der aktuellen Sterbetafel 2019/2021 derzeit bei 78,5 Jahren bei Männer und 83,4 Jahren bei Frauen. Damit hat sich die Lebenserwartung ab Geburt der beiden Geschlechter mehr als verdoppelt.

 

Doch wir wissen aus unserer Lebenserfahrung, es gibt nichts umsonst. Mit dem steigenden Alter steigt das Risiko dramatisch, an Demenz zu erkranken. Wie eine solche Erkrankung verläuft, schildert mein nachstehendes Gedicht. 

 

 

Alzheimer

 

Ein Mensch bemerkt an sich Vergang.

Ob seines Alters macht´s ihn bang.

Doch andererseits kann er verweisen,

auf eine Kondition aus Eisen.

 

Nun lässt der Körper sich trainieren,

denn auch Synapsen kann man schmieren,

damit sie leichter sich verbinden

zu stabilen Denkgewinden.

 

Zunächst heißt´s Qualen ohne Ende.

Seine Vergesslichkeit spricht Bände.

Der Nachbar ruft, wie geht´s Herr Schmitt?

Da zeigt sich schon sein Defizit.

 

Wie heißt der Kerl? Verdammt noch mal!

Die Antwort wird dem Mensch zur Qual.

Ja, danke gut, Herr….. murmelt er.

Und schämt sich seiner Schwäche sehr.

 

Doch kaum gefasst, hört man ihn fluchen.

Man sieht ihn seine Brille suchen.

Sagt seine Frau, mein lieber Mann,

die ist längst an der Nase dran.

 

Bevor du liest, geh doch und hol

mir aus dem Keller Fleisch und Kohl.

Wo, denkt der Mensch, ist bloß der Keller?

Alzheimer würgt ihn immer schneller.

 

Die Muskeln des Gehirns sind schlaff.

Macht Regsamkeit sie wieder straff?

Sind Kreuzworträtsel eine Rettung?

Auch hier nur schmerzliche Verkettung.

 

Das Rätseln bringt dem Mensch kein Licht.

Er findet seine Zeitschrift nicht.

Und plötzlich wird sein Zustand schlimmer:

Wer ist die Frau im Wohnungszimmer?

 

Das Leben geht ihm jetzt entzwei.

An einem schönen Tag im Mai

da holen ihn zwei Wärter ab.

Nicht lang, da liegt der Mensch im Grab.

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Sollte uns diese Krankheitsentwicklung pessimistisch machen? Nein. Ich wünsche uns aber, dass wir daraus lernen, jeden Tag bewusst auszufüllen und unser Leben als ein Geschenk zu begreifen.

 

Ihr lyrischer Lebensberater

 

Rainer Sliepen