Nr. 266 : Wo ist sie bloß geblieben?

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

heute geht es um ein spezielles Thema, die Reliquie. Friedrich III, Kurfürst von Sachsen    (1463 bis1525), Beschützer des Reformators Martin Luther, besaß über 19.000 fromme Artikelchen. Das ersparte ihm zwei Millionen Jahre Fegefeuer. Zur Sammlung gehörten so eigenartige Dinge wie Flaschen mit der Muttermilch der Jungfrau Maria und Dornen aus der Dornenkrone Christi. 

 

Zu den Jesusreliquien zählt u.a. - Achtung - seine Vorhaut!!! Es wird behauptet, eine alte Frau hätte sie in Öl eingelegt und sie so vor dem Zerfall bewahrt. Die heilige Vorhaut (lateinisch: sanctum praeputium) gilt als christliche Reliquie (Quelle: Wikipedia). Sie wurde in der Kirche Santissimo Nome di Gesù in Calcata/Italien bis 1984 aufbewahrt. Dann ging sie verloren.

 

Nun, das ist Historie. Aber auch heute noch werden Reliquien von der Christenheit verehrt. So das Turiner Grabtuch oder die seit dem 14. Jahrhundert stattfindende Verflüssigung des Blutes des frühkirchlichen Märtyrers St. JanuariusSchutzpatron der Stadt Neapel.

 

Wie auch immer, ich selbst habe auch etwas anzubieten, um den Mangel an neuen Reliquien wenigstens etwas abzumildern. Es geht  um mein Knie (links).

 

 

Vom Werden einer Reliquie

(ab 1949)

 

Hört ihr Leute, wie´s passiert,

dass mein Knie in Binsen ging.

Als klein ich war, hat dies Ding

immer prächtig funktioniert.

 

Damals, ja, da bog es sich,

wann immer man´s befahl.

Und war´s am Tage viele Mal,

nie ließ es mich im Stich.

 

Mit Neun ging ich zum Tisch des Herrn.

Da fing der Ärger an.

Ich wollte nicht in Kirchenbann.

So beugt´ das Knie ich gern.

 

Beim Singen frommer Litanei´n,

musst runter ich aufs Knie.

Nie bat ich je um Amnestie.

Dafür wuchs meine Pein.

 

Und weil ich so katholisch schien,

gings ab ins Internat.

Hier kniete ich von früh bis spat.

Frommsein braucht Disziplin.

 

Acht lange Jahre kniete ich.

Mir wuchs ein Heil´genschein.

Ich hatte jetzt ein frommes Bein.

Doch weh tat´s ganztägig.

 

Wie die Geschichte weiterging?

Das ist sehr schnell erzählt.

Ich hab´ Spezielles mir erwählt.

Es lautet „Outsourcing“.

 

Das Knie, das säbelt ein Chirurg

heraus aus meinem Bein.

Es wird verehrt im hohen Schrein

im schönen Rothenburg.

 

Da müssen Pilger, so wie du,

Kopf, Rumpf und Kniee beugen

und andächtig mein Super-Knie beäugen.

Ich habe endlich meine Ruh´.

 

Ein stählern Knie´ nenn ich bald mein.

Das beug´ ich, wann ich will.

Vorbei ist längst der fromme Drill.

Geendigt ist die Pein.

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Etwas gedulden müssen Sie sich allerdings noch. Im Oktober 2023 wird mein Knie in der HEH in Braunschweig runderneuert. Ich informiere Sie dann über alles Weitere. Sie wissen ja, Rothenburg....

 

Wie immer fröhlich

 

Ihr

 

Rainer Sliepen