Nr. 288: Was ist des Dichters Wertbegriff?

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

heute wird einmal mehr das Wesen des Dichters enthüllt. Er ist nur bedingt ein Schöngeist, sondern eher ein Mensch wie Du und ich. Bei der ganzen Dichterei ist er auch immer auf seinen Vorteil bedacht. Aber wer von uns würde ihm das verübeln können? 

 

Wollt Ihr den Dichter kennenlernen?

(Fortsetzung von Blog Nr. 284)

 

Wollt´ ihr den Dichter kennenlernen,                 

dann rat ich, nicht euch zu entfernen,

wenn er zur Lesung wird gebeten.

Der eine zündet Wortraketen,

 

haut auf die große Trommel laut

und hat sich alles zugetraut,

was unsere großen Dichterhelden

per Lyrik haben anzumelden.

                                                                      

Das kann er auch! Und noch viel besser.

Wer lächelt, dem droht er mit dem Messer.

Kaum ist die Lesung dann zu Ende,

schreibt er sich alle beiden Hände,

 

mit Signaturen völlig wund.

Denn er veredelt seinen Schund,

mit Unterschriften eigner Hand.

Der Biedermann ist Adressant.

 

„Komm, Otto, komm, er schreibt jetzt munter

überall den Namen drunter.

Wir holen uns ein Exemplar

und verhökern´s dann in dem Basar.“

 

So bekommt der Dichtung Wertbegriff              

den höchsten wirtschaftlichen Schliff.

Ob dies der Dichter ähnlich sieht?

Hauptsach´ gekauft, so klingt sein Lied.

 

Denn so ein zielgestrebter Mann,

braucht ein Gehalt, das er dann kann

die Welt mit Schönem zu beschenken.

Dies unsere ernstesten Bedenken.

 

Kein Dichter kann bei Tag beseh´n,

mit dem, was er erschafft, besteh´n.

Wer löscht des Dichters großen Durst?

Wer finanziert ihm Brot und Wurst?

(Wird fortgesetzt!)

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Mit den besten Grüßen und in der Hoffnung auf wärmere und trockene Frühlingstage verbleibe ich als Ihr lyrischer Schöngeist

 

Rainer Sliepen